Grönland
Im Sommer 2018 folgten zwei Monate in der stillen Wildnis Grönlands, ohne Kontakt zur Zivilisation und Aussenwelt. In dieser Abgeschiedenheit trieb ich mein Limit in eine neue Höhe, was Bergsteigen und die Perfektion des Vertrauens und Selbstmanagements betrifft.
Bis dahin war meinen Körper soweit trainiert, dass er schnell Fett und Proteine speichern – und diese auf der Expedition wieder verbrennen kann. Die Ausrüstung wog nun 33 Kilogramm – ohne die Kleider und Schuhe. Um dieses Gewicht über Wochen alleine tragen zu können, war eine lange Vorbereitung und ein intensives Training nötig.
Schon Hunderte Jahre zuvor durchquerten Nordmänner aus Island diese Gegend. Doch auch sie waren nur späte Besucher. Ihnen voraus gingen die Inuit, die indigenen Völker des Nordens. Ihren Spuren folgend, lernte ich mehr über ihre Herkunft. Was für Menschen müssen es gewesen sein, welche ihre Zeichen und Symbole in den Felsen und Steinen der Landschaft hinterliessen? Was suchten sie in diesen abgelegenen Gegenden?
Auch nordische Stämme vor vielen hundert Jahren wurden von der Magie dieser Landschaft angezogen. In der stillen Achtsamkeit kann man ihre Stimme noch vernehmen, und die Sehnsucht nach dem Entdecken.
Das Eis und die Landschaft Grönlands, sie ziehen einem in den Bann und füllen das Herz mit Schönheit, welche sich in den innersten Kern des Wesens brennt.
Diese unglaubliche Weite und Schönheit Grönlands – sie ist überwältigend. Das harte Wetter und die Belastung für die Psyche und den Körper werden durch schönste Erinnerungen aus dem Gedächtnis gefegt.
Ich folgte den Spuren von Erik dem Roten bis weit in den Süden. Hier befindet sich eine weitere Siedlung der Nordmänner. Komplett von der Aussenwelt abgeschnitten. Man braucht viele Tage um diesen Ort zu Fuss zu erreichen – und doch haben hier einst Menschen ihr ganzes Leben verbacht.
Die Kraft dieses Ortes bleibt unbeschreiblich. Ich verweilte hier drei Tage, obwohl meine Vorräte bereits zu Ende gingen und fand die Zeit, den Ort und seine Umgebung ausgiebig zu erkunden.
Anschliessend setzte ich meine Reise fort und durfte für drei Tage in einem Dorf bei den Inuit verbringen, wo ich viel über ihr Leben vor der Kolonialisierung erfuhr. Nie wieder habe ich solch erfahrene Jäger und Überlebenskünstler angetroffen. Die meisten von ihnen sind jedoch alt und ihr Wissen wird kaum weitergegeben.
Wenn man alleine durch Grönland reist, überkommt einem oft die Angst. Angst vor Eisbären und Angst vor Unfällen und Verletzungen. Doch diese Angst ist enorm wichtig. Sie wird zu einem mächtigen Gegner, wenn man sie nicht kontrollieren lernt. Sie kann einem in den Wahnsinn treiben. Wenn man sie jedoch kontrollieren und zähmen lernt, wird sie zu einem starken Verbündeten mit dessen Kraft man grosse Hindernisse überwindet. Die Angst ist eine alte Lehrmeisterin, die uns seit undenkbarer Zeit zur Seite steht. Erst durch die Verdrängung wird sie zum Gegner.